Das nachfolgende Portrait zeigt Christa Vischer-Conradt in ihrer Aufgabe als Leitung der Vorbereitungsklasse (VKL) an der OMRS. Die VKL setzt sich im Schuljahr 20/21 aus Mädchen und Jungen im Alter von 10-16 Jahren aus 8 Nationen zusammen.
Christa Vischer-Conradt ist Realschullehrerin, war sieben Jahre an der Fachschule für Jugend- und HeimerzieherInnen in Stuttgart tätig. Sie sieht die Aufgabe der Pädagogen als „Wurzel- und Grundlagenarbeit“. Als Kunstpädagogin, Künstlerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Maltherapie blickt sie ganzheitlich auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind „qualifizierte Lehrkräfte die Voraussetzung für den Erfolg von Integrationskursen. Neben hoher pädagogischer und interkultureller Kompetenz zeichnen sich diese Lehrkräfte durch hohe fachliche Qualifikation aus.“
Die letzten dreieinhalb Schuljahre arbeitet Christa Vischer-Conradt als Integrationslehrkraft und Klassenleitung der VKL. „Die Aufgabe in der VKL ist für mich eine Bereicherung und das Sahnehäubchen meines Berufslebens.“
VKL an der OMRS
Hier werden Kinder und Jugendliche mit nichtdeutscher Herkunftssprache und geringen Deutschkenntnissen an allgemein bildenden Schulen wie der Ottmar-Mergenthaler-Realschule Kleinglattbach auf die Integration in Regelklassen vorbereitet. Es sollen allen SchülerInnen die gleichen Bildungschancen und die erfolgreiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden.
Die heterogene Lerngruppe setzte sich in den vergangenen Schuljahren aus Kindern geflüchteter Familien zusammen, die Herkunft hat sich aktuell auf den osteuropäischen Raum verschoben. Diese jungen Menschen haben teilweise traumatische Erlebnisse hinter sich, sind entwurzelt, stammen aus Krisengebieten und manchmal aus Familien mit nur einem zuständigen Elternteil, sie sind vor die Herausforderung der Anpassung und der Suche nach einer neuen Identität gestellt.
VKL als Teil eines Netzwerks
Christa Vischer-Conradt konnte im engem Kontakt zu der Integrationsbeauftragten der Stadt Vaihingens, Rebecca Ogunwede, und in Zusammenarbeit mit dem Forum Asyl Kleinglattbach ein Netzwerk mit Ehrenamtlichen nutzen: Fünf ehrenamtliche MitarbeiterInnen standen den SchülerInnen als Lernbegleiter während der Schulzeit und auch im Lockdown zur Seite. Christa Vischer-Conradt ist Teil des Kollegiums der OMRS und erfährt viel praktische Unterstützung durch das Kollegium der Schule.
Teamarbeit in der Vorbereitungsklasse ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Integration. Sie führt zuerst Schulleiter Markus Widmann an, der sich der Herausforderung VKL an der OMRS seit fünf Jahren stellt und diese Arbeit als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ sieht und wertschätzt, die Aufnahme der VKL-Schüler in die Regelklassen erfolgt Fach um Fach und Schritt für Schritt und wird vom Kollegium sensibel unterstützt.
Ihre Tätigkeit in der VKL-Klasse dokumentiert die Leiterin anschaulich in Fotobänden, um bei außerschulischen Partnern, Freunden und Förderern wie beispielsweise der Alison und Peter Klein Stiftung für ihre Arbeit zu werben und Einblicke zu gewähren.
Lernen und Arbeiten in der VKL
Aus einzelnen Lerngruppen wurde in den letzten Jahren eine Klasse, die mit eigenen Lehrerstunden in Englisch, Deutsch und Mathe unterrichtet wird. Der Fächerkanon hat sich mit BNT, WBS und GEO etc. erweitert, so dass die Kinder die Methoden und Besonderheiten der einzelnen Fachbereiche kennenlernen, um in der Regelklasse mit dem gesamten Fächerspektrum zurechtzukommen.
Der sichere Erwerb der Bildungssprache steht mit Alphabetisierung, Schriftbild, Grammatik und Rechtschreibung im Vordergrund, daher ist der Klassenraum eine Lernumgebung mit zahlreichen Verbtabellen, Zeiten-Übersichten, Grammatikregeln und Wortkarten, auf die die Lehrkräfte stets verweisen und die beim Versprachlichen weiterhelfen können.
Zunächst spielt in der VKL die Konfliktbewältigung eine große Rolle. Die Säulen der Arbeit sind Zuverlässigkeit und Respekt. Von den Kindern wird gefordert: Dein Beruf ist SchülerIn, deine Aufgabe ist Lernen. Doch sie haben die Zusicherung: Dieser Raum ist sicher, jeder bekommt hier seine Chance! Dafür stehen wir als Schule ein!
Es wird aktiv an einer guten Lernatmosphäre gearbeitet, die den SchülerInnen anschließend den Übergang in eine Regelklasse ermöglicht mit allen damit verbundenen Basiskompetenzen wie zuverlässiges und ordentliches Arbeiten, das Einhalten von Regeln und Verbindlichkeiten.
Ist dieser Übergang mit einer intensiven Begleitung in der Probebeschulung geschafft, hat die Klassenlehrerin auch weiterhin ein offenes Ohr für „ihre“ SchülerInnen und deren Lehrkräfte.
Der Besuch der Regelklassen, der an der OMRS nach Klasse 9 zum Hauptschulabschluss und nach Klasse 10 zum Realschulabschluss führt, ist nach der VKL-Zeit, die zeitlich variieren kann, ein großer Schritt. Manche Mädchen und Jungen malen sich ihre Zukunft als Ärzte oder Rechtsanwälte aus. So sind auch die Berufs- und Bildungsberatung wichtig, um ein realistisches Berufsbild zu erhalten.
Sternstunden in der VKL
Vischer-Conradt lacht, als sie nach den Sternstunden ihrer VKL-Arbeit im Alltag gefragt wird. „Das sind die Momente, in denen einer/eine „Ah!“ sagt. Da begreift jemand etwas. Es ist ein Lernfortschritt und das Tor zur Erkenntnis wird aufgestoßen!“
Freude bereiteten auch die sozialintegrativen Stunden mit Wolfgang Hepp, dem Schulsozialarbeiter. Da gehe es darum, Stärken auszuprobieren und aufeinander zu achten. Sowas lernt man dann ganz nebenbei auch beim Plätzchen backen oder gemeinsamen Klassenfrühstück.
Kunststunden seien Sternstunden, denn sie sind entlastend: kaum Sprache, ein anderes Medium, um sich ganz unmittelbar auszudrücken. Dafür steht auch eine Kunstkiste mit hochwertigen Farben und Materialien im Klassenraum zur Verfügung.
Weitere Sternstunden fallen in den Bereich „Kultur und Alltagsrealität“ und hier dankt die Pädagogin besonders den Sponsoren, die Lerngänge in die Wilhelma und die Experimenta, den Besuch des Jugendtheaters, die Teilnahme an einem Workshop „Respekt“, Backen und eine Verkostung im Brezelmuseum u.v.m. möglich gemacht haben. Oft seien die Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schon die ersten Abenteuer gewesen. Auch eine gemeinsame Mahlzeit mit internationalen Leckereien sei etwas Besonderes.
Eindrücklich sind Christa Vischer-Conradt der Besuch der „Städtischen Galerie Bietigheim“ oder die Stadtführung in Vaihingen in Erinnerung. Die Kinder haben diese persönlichen Begegnungen als Wahrnehmung ihrer Person und als beschenkt werden empfunden.
„Die SchülerInnen haben in der VKL eine Heimat.“
Ausblick und Wünsche
Mit den Weihnachtsferien endet die berufliche Tätigkeit von Christa Vischer-Conradt als Leitung der VKL. Ihre hochqualifizierte Arbeit mit Herz und Anteilnahme hat zu einer breiten Wertschätzung des Aufgabenbereiches geführt. Doch die Ressourcen sind begrenzt. Es gibt keine zusätzlichen Stunden. Deshalb lässt sich Christa Vischer-Conradt auf einen Abschied auf Raten ein und übernimmt stundenweise bürokratische Aufgabenbereiche, Elternarbeit und wirbt für eine bunte und vielfältige Schulgemeinschaft.
Was wünscht sie den VKL-Kindern? „Dass ihre Zeit unabhängig von ihrer Biographie in Deutschland eine gute Zeit ist.“
Was wünscht sie den KollegInnen und der OMRS? „Dass die VKL neben der Herausforderung auch eine Bereicherung und Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede ist.“
Was wünscht sie für sich selbst? „Freiraum, Gesundheit, Zeit zum Malen, Schreiben und Reisen.“
Was bleibt? „Mein Horizont hat sich durch die vielen Kulturen erweitert“, sagt Christa Vischer-Conradt und zeigt auf einen Ordner, in dem ihre SchülerInnen ihre Heimatländer vorstellen. „Hausbesuche haben mir intensive Einblicke gegeben. Ich lese z. B. nun gerne syrische Romane.“ Ihre eigenen Werte hätten sich durch die Arbeit relativiert. „Es geht mir darum, Unterschiede zu akzeptieren und das Miteinander respektvoll zu leben.“
Bereits vor 30 Jahren, im Schuljahr 1989/90, war Christa Vischer-Conradt als Lehrerin für ein Jahr an der OMRS, nun schließt sich der Kreis: „VKL an der OMRS – das ist ein super Abschluss!“